SCHULE AN DER ROSENAU Schule für die Kinderfachklinik Bad Sassendorf
SCHULE AN DER ROSENAUSchule für die Kinderfachklinik Bad Sassendorf

Fachliche und didaktische Gestaltung des Unterrichts

 

Unsere Schülerinnen und Schüler sind im Allgemeinen im Unterricht als ‚problematisch’ zu bezeichnen. Der Schulunterricht hat daher neben der Stoffvermittlung auch die gesamte Gefühlsskala der Schüler und Schülerinnen mit zu berücksichtigen: Abwehr, Verzweiflung, Angst und Sorge, Heimweh, Aggressivität, Überheblichkeit, Schüchternheit, emotionale Verwahrlosung usw. beeinträchtigen Lernwillen und Lernvermögen. Aufmerksamkeits- und Konzentrationsvermögen, Aufnahmefähigkeit, Merkfähigkeit, Selbständigkeit, Durchhaltevermögen ... weichen selbst innerhalb einer Kleingruppe erheblich voneinander ab. Teilweise über lange Zeiträume vom Unterricht entwöhnte Schülerinnen und Schüler finden sich mit Schülern und Schülerinnen zusammen, die gern zur Schule gehen.

 

Vor dem Hintergrund der besonderen Situation, in der sich unsere Schülerinnen und Schüler befinden, umfasst unser Curriculum neben dem Unterrichtsstoff auch Themen und Lernbereiche, die durch soziale und therapeutische Aspekte gekennzeichnet sind. Letztere sind integrativer Bestandteil des Unterrichts der Schule an der Rosenau und werden parallel zur Stoffvermittlung ergänzend bearbeitet.

 

Die fachliche und didaktische Gestaltung des Unterrichts orientiert sich zum einen an den Vorgaben der Heimatschulen und zum anderen an dem individuellen Förderbedarf der einzelnen Schülerinnen und Schülern. Dabei sind neben den fachlichen auch die, in Absprache mit den Therapeuten entwickelten, emotionalen und sozialen Ziele zu berücksichtigen.

 

Ziele des Unterrichts

Im Rahmen des „problemorientierten Unterrichts“ konfrontiert der Lehrer die Schülerinnen und Schüler mit einem Problem, bei dessen Bearbeitung und Lösung sie fachliches Wissen und fachliche Fertigkeiten benötigen und daher erwerben müssen. Problemorientiertes Unterrichten zielt auf eine Aktivierung der Lernenden, auf deren möglichst selbständige Arbeit und auf ihre tiefgehende, auf Verständnis zielende Auseinandersetzung mit dem Problem. Da viele unserer Schüler wegen häufig negativer Schulerfahrungen, gravierender Leistungsrückstände und Angst vor Versagen nur begrenzt in der Lage sind, selbständig zu arbeiten, und oft nicht über die dazu notwendigen Lernvoraussetzungen verfügen, wird an unserer Schule neben dem problemorientierten Zugang zu Unterrichtsinhalten in der Regel ein unterweisungsorientiertes Vorgehen praktiziert. Die Ziele der Aktivierung der Lernenden, des selbständigen Arbeitens und der auf Verständnis zielenden Ausrichtung des Unterrichts gelten aber auch für diese Art der Vermittlung von Lerninhalten.

Im Rahmen der lehrerunterstützten Unterweisung werden zunächst möglicherweise vorhandene Wissensrückstände und fehlangepasste Lernstrategien identifiziert, die anschließend gezielt mit Interventionsprogrammen aufgearbeitet werden (s.u.). Vor dem Hintergrund der obenstehenden Ausführungen bestimmen folgende Ziele und Inhalte den Unterricht an unserer Schule:

Oberstes Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern nach ihrer Rückkehr den Anschluss an die Lerninhalte ihrer Heimatschule zu ermöglichen. Dazu orientieren wir uns an den Vorgaben dieser Schule, die vor Beginn des Aufenthaltes der Kinder und Jugendlichen an unserer Einrichtung von den Schulen schriftlich erbeten werden.

Durch Beobachtung der Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts, durch Leistungsabklärungen und informelle Überprüfungsverfahren (z.B. Übungsdiktate, ...) wird der derzeitige individuelle Leistungsstand der Schüler ermittelt. Gegebenenfalls werden festgestellte Leistungsdefizite aufgearbeitet.

Bei Auffälligkeiten besteht die Möglichkeit, die Ursachen von Leistungsrückständen mittels standardisierter diagnostischer Verfahren (IQ-Tests, Tests zur Erfassung der visuellen/ auditiven Verarbeitungskompetenz, ...) differenziert zu erfassen.

Bei besonders großen Wissensdefiziten besteht darüber hinaus die Möglichkeit der Einzelförderung bei dem entsprechenden Fachlehrer (MX-Stunden) bzw. bei speziell geschulten Kolleginnen und Kollegen (LRS-Förderung, Lesetraining, Konzentrationsförderung, ...). Gegebenenfalls ist es notwendig, sich zwischenzeitlich von den Vorgaben der Heimatschulen zu lösen.

 

Inhalt und Anforderungsniveau des Unterrichts

Der Unterricht in der Schule an der Rosenau orientiert sich

  • an den Fähigkeiten und dem Kenntnisstand der Schüler/innen
  • an den gruppendynamischen Gegebenheiten
  • an den Rahmenrichtlinien des entsprechenden Bundeslandes und den dadurch bedingten Stoffverteilungsplänen der jeweiligen Heimatschule

Dabei werden besonders die Prinzipien der inneren Differenzierung und der Individualisierung im Rahmen eines offenen Curriculums befolgt. Ein festes jahrgangsstufenbezogenes Curriculum mit verbindlich festgelegten Lerninhalten zu entwickeln, ist vor dem Hintergrund der besonderen Gegebenheiten der Schule an der Rosenau weder angemessen noch für die betroffenen Schüler hilfreich. Der Focus des Unterrichts liegt deshalb zum einen auf der Aufarbeitung individueller Wissenslücken und zum anderen auf der schülerorientierten Erarbeitung von Unterrichtsinhalten, die von der jeweiligen Heimatschule vorgegeben werden.

Auf Grund der Heterogenität einer Lerngruppe können die Schüler/innen jedoch häufig nur in Teilbereichen der Curricula ihrer Herkunftsschulen gefördert werden. Oft fehlen ihnen die Grundlagen, die sie benötigen, um sich erfolgreich mit den curricular vorgesehenen Inhalten auseinander zu setzen. In solchen Fällen werden zunächst die individuellen Lernvoraussetzungen ermittelt und darauf aufbauende Interventionsprogramme eingesetzt (z. B. Wiederholung der Wortarten mit Materialien des 3.-4. Schuljahres als Vorbereitung zur Bearbeitung der Themenbereiche Steigerung und Konjugation im Englischunterricht des 6. Schuljahres).

Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, nach einem individuellen Arbeits- bzw. Förderplan zu arbeiten. Die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen sie dabei, in ihrem eignen Tempo die Aufgaben zu bearbeiten. Besonders schwächere Schülerinnen und Schüler erleben an unserer Schule häufig Erfolgserlebnisse, da sie nur selten unter Zeitdruck arbeiten müssen und ihnen problematische Fragestellungen auch wiederholt und auf verschiedene Arten erklärt werden können. Durch den individuellen Arbeitsplan bekommen die Schülerinnen und Schüler nicht den Eindruck, langsamer als die anderen zu arbeiten und dem Unterrichtsstoff nicht folgen zu können.

 

Folgende Fächer werden unterrichtet

  • in der Primarstufe:
    • Deutsch / Sachunterricht
    • Mathematik
    • Englisch
  • in der Sekundarstufe:
    • Deutsch
    • Mathematik
    • Englisch
    • Französisch
    • Latein
  • stufenübergreifend (zusätzlich zum regulären Unterricht, nicht für alle Schülerinnen und Schüler)
    • Kunst
    • Musik
    • Textilgestaltung
    • Sport

 

In Bezug auf die Förderung sozialer Kompetenzen wird angestrebt,

  • eigenverantwortliches, sozial verantwortetes Handeln und angemessenes Eintreten für persönliche Interessen zu stärken,
  • eigenes und fremdes Verhalten vor dem Hintergrund sozialer Beziehungen und Abhängigkeiten angemessen wahrzunehmen und zu reflektieren,
  • Auskunft über eigene Befindlichkeiten, Wünsche und Abneigungen zu geben und für eigene Interessen argumentativ und kompromissbereit einzutreten,
  • Kenntnisse über grundlegende Werte (Rechte und Pflichten) einer sozialen Gemeinschaft zu vermitteln.

 

Unterrichtsgestaltung

Die pädagogische Grundlage unserer Arbeit bildet eine möglichst positive Lernatmosphäre. Wir sind stets bemüht, den Schülerinnen und Schülern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Gegebenenfalls lösen wir uns dafür von den Vorgaben der Heimatschule (s.o.), wenn die geforderten Aufgaben nicht dem aktuellen Lern- und/oder Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler entsprechen. Der geschützte Rahmen der relativ kleinen Lerngruppe ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern eine aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen. Oftmals bei den Kindern und Jugendlichen manifestierte Verhaltensmuster (übertriebener Ehrgeiz, Verweigerungstendenzen, Schulangst, ...) versuchen wir zu durchbrechen, indem wir den Leistungsdruck möglichst gering halten, Stresssituationen abbauen bzw. gar nicht entstehen lassen, eine persönliche Beziehung versuchen aufzubauen und eng mit den Therapeuten der Klinik zusammen arbeiten.

All diese Maßnahmen können jedoch nur insoweit funktionieren, wie die Schülerinnen und Schüler bereit sind, auf sie einzugehen. Häufig bemerken wir jedoch nach einiger Zeit, wie die Kinder und Jugendlichen die Schule mit all ihren Begebenheiten nicht mehr so negativ wahrnehmen.

Durch die heterogene Gruppenzusammensetzung sind die Ziele und Lerninhalte der einzelnen Schülerinnen und Schülern in der Regel stark voneinander unabhängig. So kann es z.B. vorkommen, dass Schülerinnen oder Schüler der 5. Klasse einer Förderschule gemeinsam unterrichtet werden mit Gymnasiasten einer 6. Klasse. Der Lehrer muss absolut individualisiert arbeiten, um den Bedürfnissen der einzelnen Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden. Lernen verstehen wir als einen aktiven und konstruktiven Prozess, der stets den aktuellen Begebenheiten angepasst werden muss. Unter Einbeziehung der momentanen psychischen Befindlichkeiten ist eine flexible Unterrichtsgestaltung unbedingt notwendig.

Trotz der differenten Vorgaben der Heimatschulen versuchen wir stets, die Schülerinnen und Schüler nicht ausschließlich in Einzelarbeitsphasen zu unterrichten. So haben sich gemeinsame Unterrichtsspiele (meist zu Beginn oder als Abschluss einer Unterrichtsstunde) bewährt, bei denen sich jeder seinen Fähigkeiten gemäß einbringen kann. Auch werden neue Themen häufig im Klassenverband eingeführt, so dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die den Unterrichtsstoff bereits in ihren Heimatschulen behandelt hatten, die Möglichkeit zur Wiederholung eines bereits bekannten Themas bekommen.

Während der Hauptarbeitsphasen bearbeiten die Schülerinnen und Schüler eigenständig ihre Aufgaben, wobei der Lehrer stets als Ansprechpartner bereit steht. Durch die relativ geringe Lerngruppengröße von maximal sechs bis sieben Schülerinnen und Schülern ist es in der Regel auch möglich, jedem Einzelnen angemessen zu helfen. Eine weitere Möglichkeit bietet das Helferprinzip, bei dem die Schülerinnen und Schüler einander unterstützen. Gerade den weniger selbstbewussten Schülerinnen und Schülern bietet sich hier eine Möglichkeit, im geschützten Rahmen der Kleingruppe aktiv am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen und anderen ihre Hilfe anzubieten.

Im Klassenunterricht und auch den Einzelstunden bieten wir den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Schule auch einmal anders wahrzunehmen. So können im künstlerisch-textilen Bereich u.a. haptische Erfahrungen (verschiedene Stoffe, Farben, Materialien, ...) gemacht werden, im Fremdsprachenunterricht wird ab und zu landestypisches Essen gemeinsam zubereitet und probiert, in den zusätzlichen Sportstunden werden Koordination, Kooperation und Gleichgewicht geschult und im fachspezifischen Unterricht wird Lernen mit Bewegung verknüpft. Auch das gemeinsame Musizieren und Singen im Schulchor bietet den Kindern und Jugendlichen eine Ausdrucksmöglichkeit, die ihnen bisher evtl. nicht bekannt war.

Viele unserer Schüler und Schülerinnen kommen mit einer Konzentrationsproblematik an unsere Schule. Hier bieten wir ein spezielles Konzentrationstraining an, das sich inhaltlich an den Vorgaben des Marburger Konzentrationstrainings orientiert und die Schüler bis zum Ende ihres Aufenthaltes begleitet. Besonderen Wert legen wir dabei auf das Einüben der sog. „Selbstinstruktionen“. Am Ende ihres Aufenthaltes sollen die Schüler folgende Instruktionen auswendig beherrschen und systematisch abarbeiten können:

Ich bin bereit, mit meiner Arbeit zu beginnen!

Zuerst lese ich die Aufgabe.

Ich sage mit meinen eigenen Worten, was ich tun soll.

Ich mache mir einen Plan und arbeite schrittweise danach.

Ich schaue, ob ich alles richtig mache.

Wenn ich einen Fehler mache ist es nicht schlimm, ich kann ihn verbessern.

Jetzt kann ich zufrieden mit mir sein.

Eingeübt werden diese Instruktionen im Rahmen einer wöchentlich stattfindenden jeweils zweistündigen Kleingruppenförderung (5-6 Schüler). Das Training beginnt mit einer dynamischen Übung zur Förderung der Gruppenfähigkeit und Regelbachtung. Anschließend folgt eine Entspannungsphase, an die sich die Anwendung der Instruktionen im Rahmen des inneren Sprechens bei der Bewältigung verschiedener Aufgabenstellungen anschließt. Den Abschluss bildet ein gemeinsames Spiel.

 

Medien und Arbeitsmittel

Alle Klassenräume sind mit Tafel, CD-Player und mindestens einem Computerarbeitsplatz ausgestattet. Den Computer können die Schüler in Absprache mit dem Lehrer zu Übungs- und Recherchezwecken nutzen. Overheadprojektoren, DVD- und VHS-Abspielgeräte werden zentral gelagert und stehen ebenso zur Verfügung wie großformatige Bildschirme.

Zusätzliche audiovisuelle Angebote ergänzen den Deutschunterricht und den fremdsprachlichen Unterricht, um die Schüler und Schülerinnen an die Aussprache der native speaker zu gewöhnen und die Kompetenz des Hörverstehens zu trainieren.

Im Fach Mathematik können die Jugendlichen u.a. auf graphikfähige Taschenrechner, diverses anschauliches Arbeitsmaterial zur Bruchrechnung und dem Leistungsstand angepasste Computerprogramme zurückgreifen.

Die von den Heimatschulen vorgegebenen Lerninhalte werden in der Regel durch von uns individuell auf den Schüler zugeschnittene Arbeitsblätter erweitert.

Unsere Schülerinnen und Schüler kommen häufig nicht gut vorbereitet in den Unterricht. So fehlen ihnen oft wichtige Arbeitsmaterialien wie Stifte oder Hefte. In solchen Fällen hilft die Schule diesen Schülerinnen und Schüler mit einer Grundausstattung aus, wobei wir darauf achten, dass sie mit dem Material möglichst pfleglich umgehen. Wir möchten die Kinder und Jugendlichen an einen bewussteren Umgang mit dem Material gewöhnen, so dass sie nach ihrer Zeit bei uns sorgsamer auf ihre Arbeitsmittel achten.

 

Individuelle Lernfortschritte

Der Lernzuwachs der einzelnen Schülerinnen und Schüler hängt stark von der jeweiligen emotionalen Befindlichkeit ab. Meistens beobachten wir jedoch, dass die Kinder und Jugendlichen sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten (neue Lehrer, neue Mitschüler, kleine Klassengröße, veränderter Stundenplan, ...) gut auf die veränderten Bedingungen einlassen können und unsere Hilfe annehmen.

Je nach aktuellem Lern- und Entwicklungsstand der Einzelnen können die Lernfortschritte darin bestehen, dass die von den Heimatschulen geforderten Lerninhalte bearbeitet und auch verstanden wurden. Für manche unserer Schüler und Schülerinnen (besonders ältere Mädchen mit großen Ansprüchen an sich selbst) ist es dagegen wichtig, eine Bereitschaft zu entwickeln, sich weniger Leistungsdruck auszusetzen und die geforderten Lerninhalte zeitweise nicht so stark zu fokussieren. Andere Schülerinnen und Schüler sind mit den geforderten Lerninhalten überfordert; ihnen fehlt oft das grundlegende Wissen, um komplexere Aufgaben zu bearbeiten. Hier versuchen wir gemeinsam mit den Schülern und Schülerinnen dieses Basiswissen aufzuarbeiten, so dass sie nach der Zeit an unserer Schule mit weiterer Hilfe in der Lage sind, die fehlenden Unterrichtsinhalte nachzuarbeiten. Besonders diesen Kindern und Jugendlichen können wir oft Erfolgserlebnisse vermitteln, die ihnen an ihren Heimatschulen oft aufgrund zu hoher Ansprüche verwehrt blieben. Verweigerungstendenzen treten seltener auf und die Schülerinnen und Schüler bemerken, dass sie die gestellten Aufgaben lösen können.

Durch das individuelle Eingehen auf die Schüler und Schülerinnen werden häufig positive Erlebnisse ermöglicht und die besonderen Rahmenbedingungen an unserer Schule (kleine Klassen, Berücksichtigung der individuellen Schülerbedürfnisse, ...) fördern häufig das Arbeitsverhalten und können dadurch zu einem deutlichen Lernzuwachs führen.

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